Der Antrag
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Seidl, sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderats,
um die Sicherheit für die Fahrradfahrerinnen zu verbessern, beantragt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Fahrradschutzstreifen in der Hauptstraße, der Aufkirchner Straße und der Estinger Straße zu beseitigen. Die Fahrradschutzstreifen machen Radfahren auf der Haupt- und der Aufkirchner Straße gefährlicher, da sie vielen Autofahrerinnen suggerieren, dass sie alles richtig machen, wenn sie nur außerhalb der Streifen bleiben. Dabei wird aber sehr oft der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten. Fahrradschutzstreifen dienen daher der Sicherheit von Radfahrerinnen erst ab einer Breite von mindestens 2 Metern. Hinzu kommt, dass die Fahrradschutzstreifen auf der Hauptstraße direkt an parkenden Autos vorbeiführen. Als Radfahrerin muss man hier sogar außerhalb der Streifen fahren, um den nötigen Sicherheitsabstand zu den parkenden Autos einzuhalten. Das führt dann bei vielen Autofahrer*innen zu Unverständnis.
Diese Befunde sind nicht auf Maisach beschränkt und allgemein bekannt. So schreibt beispielsweise das Unfallforschungsinstitut des Deutschen Versicherungsverbands „Beim Über-holen von Radfahrern auf den Streifen unterschreitet fast jedes zweite Kraftfahrzeug einen Seitenabstand von 150 cm. Die überholenden Kraftfahrzeuge orientieren sich dabei vor allem an den Markierungen auf der Fahrbahn und reagieren nur unzureichend auf die Position der Radfahrer. Oft überholen die Kraftfahrzeugführer den Radfahrer ohne Verlassen des eigenen Fahrstreifens.“ [https://www.udv.de/udv/themen/sicherheit-von-radfahrstreifen-und-schutzstreifen-81750]
Mit freundlichen Grüßen für die Fraktion,
Matthias Weiss (Referent für Mobilität im öffentlichen Raum)
Worum geht’s?
Ende Dezember 2019 beschloss der Gemeinderat die Einrichtung von Fahrradschutzstreifen in der Aufkirchner Straße, der Bahnhofstraße, der Hauptstraße und der Estinger Straße.
Aufgrund der beengten Platzverhältnisse wurde beschlossen, die Fahrradschutzstreifen in der Aufkirchner Straße und der Bahnhofstraße nur einseitig einzurichten und die Breite auf 1,25 m zu beschränken.
In Abweichung von diesem Beschluss wurden Fahrradschutzstreifen eingerichtet, die praktisch durchgängig die gesetzliche Mindestbreite von 1,25 m unterschreiten und weitere gesetzliche Vorgaben nicht erfüllen. Das ist gefährlich.
Die Maisacher Fahrradschutzstreifen weichen in folgenden Punkten von den gesetzlichen Vor-gaben ab:
Der rechte Rand der Fahrradschutzstreifen ist vielfach nicht nutzbar (wegen Abflussgittern, Asphaltschäden oder nicht gut befahrbarer Rinnen). Diese Einschränkung der nutzbaren Breite erfordert eine entsprechende Verbreiterung der Schutzstreifen.Manchmal sagen kleine Gesten mehr als große Worte.
Die Schutzstreifen sind zu schmal, teilweise schmaler als 1 m.
Die Schutzstreifen verlaufen streckenweise direkt neben einem Parkstreifen. Hier fehlt der vorgeschriebene Sicherheitstrennstreifen mit mindestens 0,5 m Breite.
Die Parkstreifen sind so schmal, dass ein Großteil der geparkten Pkw in den Fahrradschutzstreifen ragt.

Parkende Autos in der Hauptstraße ragen in den Fahrradschutzstreifen, der ohnehin schon zu schmal ist:

Warum der Sicherheitstrennstreifen unerlässlich ist und wieso man als Radler*in mit großem Ab-stand an parkenden Autos vorbeifährt:

Als Radler*in muss man immer damit rechnen, dass unerwartet eine Autotür aufgeht. Wenn man nicht ausreichend Abstand zum Auto hat, fährt man entweder frontal in die Tür. Oder man schwenkt unvermittelt nach links, wo man ggf. von einem dort fahrenden Auto erfasst wird.
Einschränkung der nutzbaren Breite des Fahrradschutzstreifens durch Abflussgitter, Asphaltschäden, nicht gut befahrbare Rinnen: Zieht man diese nicht nutzbaren Bereiche ab, bleibt eine nochmals geringere Breite übrig.

Besonders gefährliche Stelle: Kurve Bahnhofstraße/Hauptstraße. Hier werden Radler*innen mit Abstand 70 cm statt der vorgeschriebenen 1,5 m überholt, weil die Autofahrer*innen nicht (um die Kurve) sehen können, ob jemand entgegenkommt und daher auf ihrer Fahrbahn bleiben. Der Schutzstreifen suggeriert fälschlich, dass sie alles richtig machen, solange sie außerhalb des Schutzstreifens bleiben.

Die Kurve Bahnhofstraße/Hauptstraße im Rückspiegel: Der verbleibende Raum für Rad-ler*innen zwischen parkenden und fahrenden Autos ist gruselig gering. Der Schutzstreifen suggeriert den Autofahrer*innen, dass Sie ausreichend Abstand halten, wenn Sie außerhalb des Schutzstreifens bleiben. Wie wenig Platz dann bleibt, sieht man hier.

Gefährdung: Was sagt die Wissenschaft?
- Auswertungen von tausenden von Überholvorgängen zeigen, dass mehr als die Hälfte aller Überholvorgänge mit gefährlich geringem Abstand (<1,5 m) erfolgt. Überholen von Fahrrädern ist also generell gefährlich.
- Zahlreiche Studien zeigen, dass Fahrräder mit deutlich geringerem Abstand (im Schnitt 40 cm) überholt werden, wenn es einen Fahrradschutzstreifen gibt. Das liegt daran, dass Autofahrer*innen, wenn es einen Fahrradschutzstreifen gibt, sich an der Markierung orientieren und nicht am tatsächlichen Abstand zur Radler*in.
- Der Überholabstand ist umso geringer, je schmaler die Fahrradschutzstreifen sind.
- Besonders gefährlich sind Fahrradschutzstreifen, wenn sie direkt neben parkenden Autos verlaufen.
Quellen
Straßenverkehrsordnung (StVO)
Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV zur StVO)
Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswe-sen (FGSV). Auszug aus der VwV zur StVO zu §2, Punkt 13: „Hinsichtlich der Gestaltung von Radver-kehrsanlagen wird auf die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) in der jeweils gültigen Fassung verwiesen.“
Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt06) der FGSV
Verschiedene Veröffentlichungen der Unfallforschung der Versicherer (UDV) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), bspw. „Unfallforschung kompakt Nr. 89: Sicherheit und Nutzbarkeit markierter Radverkehrsführungen“
Ben Beck, Derek Chong, Jake Olivier, Monica Perkins, Anthony Tsay, Adam Rushford, Lingxiao Li, Peter Cameron, Richard Fry, Marilyn Johnson (2019): „How much space do drivers provide when passing cyclists? Understanding the impact of motor vehicle and infrastructure characteristics on passing distance“ in Accident Analysis & Prevention 128, 253 – 260.
Leo Casey, Lutz Gaspers, Harald Mandel (2024): „Overtaking in Stuttgart—analysis of the lateral distances between motor vehicles and bicycle traffic with reference to traffic volume and cycling infrastructure“ in Traffic Safety Research https://tsr.international/TSR/article/view/26003/23151
Leonard Eckhoff (2018): „Der Abstand von Autos zu Fahrrädern beim Überholvorgang: Eine Feld-studie“, Technische Univerität Braunschweig.
Paul Sutter (2020): „Abstandsverhalten von Fahrradüberholern“, Hochschule Coburg.