Kein Interesse – nicht nur bei Kindern und Jugendlichen

Kürzlich schrieb Stefan Salger in der SZ über eine „Kindersprechstunde ohne Kinder“ in Maisach. Von einem „Schweigekreis wider Willen“ war die Rede, da Bürgermeister, zuständige Referentin und ein Sozialpädagoge unter sich blieben. Und dabei hätte Bürgermeister Seidl doch so viel zu erzählen gehabt – auf Augenhöhe versteht sich – und er hätte auch gerne zugehört. Alles Nix – keiner da. 

Die Reaktion: Absage der Oktobersprechstunde 

Stefan Salger schreibt, vielleicht müsse man kindliches Desinteresse einfach hinnehmen. Und da liegt das Dilemma. 

Es ist natürlich viel leichter, der Zielgruppe Desinteresse zu bescheinigen als sich einzugestehen, dass das angebotene Format einfach uninteressant ist. Sprechstunden sind ja nicht nur in Maisach eher spärlich besucht. Woran liegt das und was könnte man anders machen? Nehmen wir als Beispiel die Gestaltung eines neuen Spielplatzes. Für die Beteiligung von Kindern gibt es unterschiedliche “Stufen”. Man kann 

  • die Kinder informieren darüber, was man selbst entscheidet
  • die Anregungen der Kinder berücksichtigen bei den eigenen Entscheidungen
  • die Kinder selbst entscheiden lassen und die Entscheidungen respektieren
  • die Kinder selbst entscheiden und bei der Umsetzung mitwirken lassen

Echte Beteiligung liegt nur dann vor, wenn Kinder und Jugendliche selbst Entscheidungen treffen können, bestenfalls kontinuierlich und nicht nur sporadisch. Erst dann wird es interessant für sie. Alibi-Beteiligung und Nichtberücksichtigung ihrer Stimmen ist dagegen frustrierend. Es braucht also Strukturen, Mittel und Ressourcen, um eine echte Beteiligung zu realisieren. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, vor allem, wenn Mittel und Ressourcen knapp sind. Trotzdem ist es nicht irgendeine ganz nette Aufgabe  sondern gesetzliche Pflicht, die Umsetzung anzugehen (Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe, EU-Kinderrechtsstrategie, UN-Kinderrechtskonvention). 

Die Bayerische Staatsregierung ermuntert die Kinder jedenfalls schonmal zuversichtlich, sich an die örtlichen Jugendbeauftragten zu wenden bei Fragen zu Beteiligungsmöglichkeiten.  

Angebot der Bayerischen Staatsregierung: Webportal KINDER und JUGEND partizipation
https://www.partizipation.bayern.de/mitbestimmung-youngsters/

Wäre es nicht schön, wenn Herr Salger geschrieben hätte, kindliches Desinteresse sei genau wie das Desinteresse von Jugendlichen und Erwachsenen nicht hinzunehmen, da wir doch mittlerweile wissen, dass die Grundregeln des demokratischen Miteinanders erlebt und gelernt werden müssen. Aus Kindern werden Jugendliche und aus Jugendlichen Erwachsene, die dann spätestens unsere Gesellschaft verantwortlich gestalten. Wer involviert ist in Entscheidungsprozesse und die Abwägungen nachvollziehen kann, wird politische Entscheidungen anders akzeptieren und lernen, seine Interessen im demokratischen Gefüge zu vertreten.  „Die da oben und wir hier unten”, das ewige Mantra der Populisten, wird dann eher selten auf fruchtbaren Boden fallen.

Kinder und Jugendliche reagieren übrigens nicht anders als Erwachsene. Viele sind durchaus interessiert an den Themen der Kommunalpolitik, finden aber keinen Zugang. Diesen Zugang zu bahnen, ist doch eigentlich die Aufgabe aller Beteiligungsformate. Deshalb ist es schade, wenn die Reaktion auf eine Sprechstunde ohne Besucher nicht lautet, “wir versuchen nächstes Mal etwas anderes”, sondern “wir machen das, was nicht funktioniert, weiter – nur seltener.” Möglichst viele Menschen für die Gestaltung unserer Orte und unserer Gesellschaft zu gewinnen, ist schließlich in unser aller Interesse. Oder?

Um es mit den Worten von Herrn Salger zu sagen: vielleicht muß man auch einfach hinnehmen, dass ein Gemeinderat kein großes Interesse daran hat, Entscheidungsbefugnisse zu teilen, Macht abzugeben oder seine Entscheidungen transparent darzustellen. Lieber bittet man interessierte Bürgerinnen und Bürger die ein Sitzungsprotokoll lesen wollen, auch im Jahr 2024 noch persönlich und mit Termin ins Rathaus. Lieber verschiebt man wieder und wieder die Etablierung eines Jugendbeirates. Lieber sagt man Kindersprechstunden ab, als über geeignete Projekte für echte Beteiligung nachzudenken. Schließlich können die Leute ja alle paar Jahre wählen! Das ist ihre Chance auf Mitwirkung und für mehr reicht ihr Interesse sowieso nicht aus, so die Argumentation, da wäre es Verschwendung von Zeit und Geld, aufwändige Beteiligungen zu organisieren. Und ja, was soll man sagen? Das stimmt irgendwie. Aber wir wollen das nicht hinnehmen.

Deshalb, liebe Leute, gebt euch einen Ruck, bringt euch ein, geht zu politischen Treffen, gestaltet mit! Signalisiert euer Interesse und fordert Beteiligung ein. Es geht nämlich auch anders und ihr werdet dringend gebraucht, um neuen Schwung in ein System zu bringen, das eigentlich ziemlich genial ist, momentan aber zu träge, um sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Ihr könnt das ändern, wenn’s sein muss in der Kindersprechstunde.