Vereint im Stillstand

Kürzlich berichtete das Fürstenfeldbrucker Tagblatt über eine Gemeinderatssitzung in Maisach. Im Vorfeld der Sitzung waren die Rätinnen und Räte mit iPads ausgestattet und in die Benutzung eingeführt worden. Ein Schritt in die digitale Gegenwart – es sollte der einzige an diesem Abend bleiben.

Fürstenfeldbrucker Tagblatt, 4. Oktober 2024

Die neue Ausstattung machte entsprechende Änderungen der Geschäftsordnung notwendig. Diese sollte seit Beginn der aktuellen Amtszeit überarbeitet werden, was jedoch immer wieder aufgeschoben wurde. Und so wurde in der Septembersitzung noch einmal über verschiedene Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung gesprochen.

Hartmut Hombach (Grüne) fragte nach, was der Stand zu seinem Antrag betreffs der Ermöglichung der Online-Teilnahme an Gemeinderatssitzungen (gestellt im Mai 2021, https://xn--grne-maisach-elb.de/zulaessigkeit-der-sitzungsteilnahme-durch-ton-bild-uebertragung/ ) sei. Als der Antrag gestellt wurde, war die Teilnahme von zuhause wegen der Pandemie eine gern genommene Lösung, um die Ratsarbeit trotz der Kontaktbeschränkungen aufrecht zu erhalten. In Maisach kam es jedoch nie dazu; stattdessen wurde mit großem Abstand im Bürgerzentrum Gernlinden getagt.
Der Antrag zur Ermöglichung der Online-Teilnahme an Gemeinderatssitzungen wurde mündlich neu gestellt und gegen die Stimmen der Grünen abgelehnt.

Angelika Simon-Kraus (Grüne) brachte das Thema „Veröffentlichung der Sitzungsniederschriften“ im Internet noch einmal auf, um eine niedrigschwellige Informationsmöglichkeit für interessierte Bürgerinnen und Bürger zu schaffen und die Transparenz der Gemeinderatsarbeit zu verbessern. Als Fraktion hatten wir bereits im Juli 2020 einen Antrag auf Veröffentlichung der Niederschriften gestellt, der abgelehnt wurde (https://xn--grne-maisach-elb.de/beschlussvorlagen-und-protokolle-zu-oeffentlichen-gemeinderats-und-ausschusssitzungen-im-rats-und-informationssystem-oeffentlich-bereitstellen/ ). Hauptargument: Datenschutz.
Auch der Antrag zur Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle wurde mündlich neu gestellt und wie 2007, 2012 und eben 2020 abgelehnt.
Maisach ist zwar ein digitales Amt, gewährt weiterhin seinen Bürgerinnen und Bürgern aber nur persönlich im Rathaus und mit Termin Einblick in die Protokolle. Nicht bürgerfreundlich, nicht zeitgemäß finden wir und vor allem von vielen Kommunen auch in unserem Landkreis anders gelebt, trotz Datenschutz.

Heike Demant schließlich regte an, dass sich der Gemeinderat mit Möglichkeiten zur Beteiligung speziell von Jugendlichen, befassen möge. Die Etablierung eines Jugendbeirates wird immer wieder verschoben und genießt generell keine hohe Priorität. Wenn wir aber wollen, dass Jugendliche sich in unserem demokratischen System einbringen, dann müssen wir die Formate dafür auch bereitstellen. So bald wie möglich. Unser Antrag  im Zuge der Haushaltsvorberatungen letztes Jahr, nicht wieder um ein Jahr aufzuschieben, wurde damals abgelehnt.
Der Antrag, der Gemeinderat möge sich mit Möglichkeiten zur Beteiligung von Jugendlichen befassen, wurde ebenfalls mündlich gestellt und gegen die Stimmen der Grünen abgelehnt.

Wir Grüne im Gemeinderat sind der Ansicht, dass Parlamente grundsätzlich ein Abbild der Gesellschaft sein sollten – oder zumindest nahe dran. Das gilt auch für Gemeinderäte. Wie in den meisten anderen Kommunen auch, fehlen in Maisach junge Männer und Frauen. Neben der Versorgung der Familie und dem Beruf, konkurriert ein Ehrenamt in der Kommunalpolitik mit Haus, Garten, Vereinen und anderen Freizeitinteressen. Zeit ist der kritischste Faktor und Zeitmangel ein häufiger Grund gegen kommunalpolitisches Engagement. Und so fehlen neben Menschen mit Migrationshintergrund gerade junge Leute, junge Frauen, junge Eltern, die andererseits aber das größte Interesse an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes und dem ihrer Kinder haben.

Um sie für ein ehrenamtliches Mandat gewinnen zu können, muss die Ratsarbeit attraktiver und vor allen Dingen machbar werden für die Zielgruppen. Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit des Mandates mit dem Leben junger Menschen sind bekannt:

  • Aufhebung der Präsenzpflicht an Sitzungen / online Sitzungsteilnahme (Antrag Hombach)
  • Flexibilisierung: Einführung von Vertretungsmöglichkeiten  / Möglichkeit für die Ablösung innerhalb der Amtszeit
  • Ratsarbeit: Gutes Miteinander, respektvoller Umgang miteinander, guter „Ton“ / effiziente Sitzungsplanung  –  keine abschreckenden Mammutsitzungen

Um die Bevölkerung für die Arbeit des Gemeinderates zu interessieren, speziell auch Jugendliche, müssen geeignete Formate der Kommunikation gefunden werden. Hier führt kein Weg an digitalen Formaten vorbei. Die Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle (Antrag Simon-Kraus) kann dabei nur ein erster Schritt sein, der aber den Willen zu Transparenz und Beteiligung demonstriert. Besser wären weitergehende Formate wie zum Beispiel digitale Beteiligungsformen.

Das Thema „Kinder- und Jugendbeteiligung“ ist eine große Herausforderung, die viel Zeit und Mittel bindet und nur Aussicht auf Erfolg hat, wenn echte Entscheidungen getroffen werden dürfen (siehe auch https://xn--grne-maisach-elb.de/kein-interesse-nicht-nur-bei-kindern-und-jugendlichen/). Die im Gemeinderat geäußerte Haltung „in eineinhalb Jahren lässt sich nichts mehr ändern“ befremdet uns allerdings sehr und wirft auch in anderen Bereichen die Frage auf, mit was wir uns überhaupt noch befassen sollen. In Anbetracht der Tatsache, dass bereits in der Vergangenheit immer wieder Anträge dazu gestellt wurden, handelt es sich aber wohl nur um die Begründung für den weiteren Aufschub eines Projektes, an dem der Gemeinderat nur ein geringes Interesse hat.

Ganz besonders in Zeiten, in denen der Populismus auf dem Vormarsch ist und die bestehenden demokratischen Strukturen ständig zu delegitimieren versucht, sollten Räte breit aufgestellt sein, möglichst alle Bevölkerungsgruppen repräsentieren und die Entscheidungen transparent und unter Beteiligung der Bevölkerung gefällt werden. Wir wissen mittlerweile nur zu gut, dass eine starke demokratische Zivilgesellschaft nicht selbstverständlich ist, sondern dass sie angewiesen ist auf Menschen, die Verantwortung für das Gemeinwohl übernehmen und Zeit und Energie investieren. Ein Blick in die Zusammensetzung des Maisacher Gemeinderates reicht, um zu sehen, dass hier Handlungsbedarf besteht. Veränderungen hin zu mehr Offenheit des Gemeinderates gehen jedoch nur, wenn der Wille dazu da ist, was wie in Maisach eher selten der Fall ist. Deswegen gibt es auch die Forderung, diese Entscheidungen nicht den Gemeinde- und Stadträten zu überlassen, sondern auf Ebene der Bundesländer durch die jeweiligen Landtage zu treffen. In Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Hamburg ist die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene verpflichtend vorgeschrieben.